Das Ende der digitalen Durststrecke in Deutschland?

Lauterbachs Digitalisierungstrategie: visionäre Idee oder Schuss ins Ofenrohr

Bis zum digitalen Deutschland scheint es noch ein weiter Weg zu sein, doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will nun mit der Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege neue Wege gehen. Eine "Herkulesaufgabe" sagen die einen, ein "Mammutprojekt" viele andere - ein Projekt, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, meint die Denkströme Gruppe. Die Expert:innen der Digitalisierung und HealthCare-Beratung aus dem Süden Deutschlands kritisieren zwar nicht die schon lange überfälligen Zielsetzungen, aber die Vorgehensweise und die unrealistisch gesetzte Roadmap.

In anderen Ländern ist die zentral verwaltete und finanzierte elektronische Patientenakte längst kein Zukunftstraum mehr, sondern gelebte Realität. In Dänemark und Israel profitieren die Bürger:innen bereits seit Jahren von den Vorteilen einer digitalisierten Gesundheitsversorgung. In Deutschland scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Erst jetzt, nach 15 Jahren Aufholjagd, werden erste Schritte in Richtung einer flächendeckenden Einführung der elektronischen Patientenakte unternommen. Es ist zwar an der Zeit, konservative Strukturen aufzubrechen und den Fortschritt nicht länger zu verschlafen, aber überhastete Schritte sind im Hinblick auf das gesteckte Ziel eher kontraproduktiv.

Erinnern wir uns: In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts begann die Ära der ersten Computer, und schon bald wurde das Betriebssystem Windows 3.0 zu einem bahnbrechenden Erfolg, als es im Mai 1990 erstmals veröffentlicht wurde. Dennoch dauerte es bis 2018, bis der Deutsche Ärztetag das Fernbehandlungsverbot aufhob, das telemedizinische Behandlungen in Deutschland bis dahin unmöglich gemacht hatte. Dieses Beispiel zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens lange Zeit sehr langsam war und im internationalen Vergleich hinterherhinkte. Doch die Pandemie hat Bewegung in die Sache gebracht und mittlerweile gehören Gesundheits-Apps, die Online-Buchung von Arztterminen und digitale Fitness-Apps für viele Menschen zum Alltag. Dennoch bleibt das Gesamtbild düster: Die elektronische Patientenakte wird kaum genutzt und die Versichertenkarte hat auch nach über 20 Jahren keinen nennenswerten digitalen Nutzen.


Nimmt die Digitalisierung mit der Digitalisierungsstrategie nun Fahrt auf?

Ein wichtiges Ziel der Strategie ist es, bis 2025 eine flächendeckende Umstellung auf die elektronische Patientenakte (ePA) zu erreichen. Bisher nutzen jedoch nur etwa ein Prozent der gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland die ePA und es gibt noch viele offene Fragen, die geklärt werden müssen. Erst wenn die Vorteile für die medizinische Dokumentation und die Transparenz zwischen den Akteuren deutlich werden, wird die Akzeptanz bei Ärzten und Patienten steigen.

„Für die Ärzte in den Praxen muss die ePA leicht auszufüllen und technisch einfach zu bedienen sein. Außerdem müssen kostengünstige und barrierefreie Schnittstellen zu den Praxisverwaltungssystemen vorhanden sein. Der Mehraufwand für die Erstbefüllung und die Folgebearbeitungen muss angemessen vergütet werden, damit sich die Einführung der ePA lohnt. Wichtig ist auch, dass die Opt-out-Lösung nicht zu Diskussionen in den Praxen führt und wertvolle Behandlungszeit verloren geht. Hier müssen die Krankenkassen und das Bundesgesundheitsministerium frühzeitig Aufklärungskampagnen starten“, so Maximilian Roth, ehemaliger Klinikdirektor und Berater der Denkströme Gruppe.

Die Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen setzt aber noch weitere hohe Maßstäbe in Sachen Tempo und Innovation. Die elektronische Patientenakte soll automatisiert mit einer digitalen Medikationshistorie befüllt werden und das elektronische Rezept soll ab dem 1. Januar 2024 verpflichtend werden. Die gematik wird zu einer 100-prozentigen Bundesbehörde und die Telemedizin soll mit dem Wegfall der 30-Prozent-Grenze und betreuten Angeboten in Gesundheitskiosken und Apotheken mehr Raum bekommen. Disease-Management-Programme sollen durch digitale Programme ergänzt werden und ein interdisziplinäres Gremium wird die Digitalagentur bei allen Entscheidungen beraten.


Ist bereits vor Beginn die Luft aus den Segeln?

Die Denkströme Gruppe begrüßt grundsätzlich die Ziele der Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung der elektronischen Patientenakte und des elektronischen Rezepts sowie die Förderung der Telemedizin. Allerdings wird der Zeitplan als völlig unrealistisch angesehen, insbesondere die Umsetzung bis zum 1. Januar 2024.

"Es wird eine große Herausforderung sein, alle notwendigen technischen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen und alle Akteure im Gesundheitswesen auf die Umstellung vorzubereiten. Es ist wichtig, dass die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen sorgfältig geplant und durchgeführt wird, um sicherzustellen, dass sie zuverlässig und sicher ist und den Bedürfnissen von Patienten und Gesundheitsdienstleistern gerecht wird. Aus jahrelanger Erfahrung wissen wir, dass die Digitalisierung kein Sprint von heute auf morgen ist, sondern ein Marathon, der Zeit, Vorbereitung und Ausdauer erfordert. Bei einem derart engen Zeitplan sehen wir nicht nur die Ziele in Gefahr, sondern auch die Einstellung und das Vertrauen in die digitale Medizin", weiß Fabian Schmid, CEO der Denkströme Gruppe und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Digitale Medizin.

„Diese Ziele, die so ähnlich schon Ulla Schmidt (SPD) in ihrer Amtszeit als Gesundheitsministerin vor fast 20 Jahren versprochen hat, sollen laut Lauterbach nun erreicht werden. Doch wie ist der aktuelle Stand?

Viele erinnern sich sicher noch an die Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2018, in der Deutschland bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen im internationalen Vergleich nur den vorletzten Platz belegte. Seitdem hat sich einiges getan. Seit zwei Jahren sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnungs- und erstattungsfähig. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist. Dies spiegelt sich auch in der exponentiellen Zunahme von Videosprechstunden in den letzten drei Jahren wider. Doch auch nach aktuellen Studien und Umfragen ist der Digitalisierungsgrad im deutschen Gesundheitswesen noch ernüchternd: Die meisten Krankenhäuser in Deutschland befinden sich noch auf einem eher niedrigen digitalen Reifegrad, stellt das Konsortium DigitalRadar fest. Zudem steht ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung neuen Technologien im Gesundheitswesen kritisch gegenüber. Um ein zukunftsfähiges digitales Gesundheitswesen zu schaffen, müssen daher nicht nur die technischen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, sondern auch die Kommunikation verbessert werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Transformation wird das Mindset sein, wie die Denkströme Gruppe aus ihrer täglichen Arbeit weiß. Die Kombination der Unternehmensgruppe aus Transformationsberatung im HealthCare-Sektor und Kommunikationsagentur ist in Deutschland einzigartig und widmet sich seit Jahrzehnten dem Spannungsfeld zwischen technischer Innovation und breiter Kommunikation.

Die Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit bietet neben den Herausforderungen auch positive Ansätze. Insbesondere der Ausbau niedrigschwelliger telemedizinischer Angebote kann dazu beitragen, die ambulante vertragsärztliche Versorgung zu verbessern und die Praxen zu entlasten. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass alle Ziele im vorgegebenen Zeitrahmen erreicht werden können, ist jeder noch so kleine Fortschritt in Richtung digitale Medizin ein Gewinn. Wichtig ist, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Pflege gut geplant und umgesetzt wird, um den gewünschten Nutzen zu erzielen. Insgesamt ist dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen und innovativen Gesundheitsversorgung.

  • Fabian Schmid, CEO der Denkströme Gruppe und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Digitale Medizin | Foto: Gianna Reil
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