Den Krankenhäusern in Deutschland wird eine Fristverlängerung bei der Umsetzung des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) eingeräumt. Anders als zunächst vorgesehen, müssen die geförderten Digitalisierungsprojekte nicht bis Ende 2024 komplett realisiert sein. Um die drohenden Strafzahlungen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes zu vermeiden, genügt es vielmehr, die Umsetzung bis Ende 2024 beauftragt zu haben. „Angesichts der existenzbedrohenden wirtschaftlichen Probleme, mit denen Kliniken in Deutschland zu kämpfen haben, gepaart mit der verzögerten Auszahlung der im KHZG zugesagten Gelder ist dies der einzig vernünftige Schritt“, befindet Fabian Schmid, CEO der Denkströme Gruppe, die zahlreiche Akut-, Fach- und Rehakliniken, Klinikgruppen, Verbände sowie weitere Akteure aus dem Gesundheitswesen bei der strategischen Planung und Umsetzung von Kommunikations- und Digitalisierungsprojekten begleitet. Gleichwohl stellt das KHZG nach seiner Überzeugung „einen Meilenstein dar, hat es doch die richtigen Digitalisierungsthemen auf die Agenda der Kliniken gesetzt, mit denen sich diese zukunftsfähig aufstellen können und zugleich für Anreize und die finanzielle Ausstattung zu deren Umsetzung gesorgt.“
Beim Krankenhauszukunftsgesetz aus dem Jahr 2020handelt es sich um ein staatliches Investitionsprogramm zur Digitalisierung der Krankenhäuser. In dessen Rahmen fördern Bund und Länder IT-Maßnahmen mit mehr als 4 Milliarden Euro. In seiner ursprünglichen Fassung sah das Gesetz unter Androhung finanzieller Sanktionen eine verpflichtende Implementierung und Inbetriebnahme bestimmter vorgegebener Digitalprojekte bis Ende 2024 vor, wie etwa die Entwicklung eines Patientenportals, Pflege- und Behandlungsdokumentation, digitale Entscheidungsunterstützungssysteme sowie Systeme zur digitalen Anforderung von Leistungen.
Aufgrund der schwierigen äußeren Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre - Corona-Pandemie, Energiekostenexplosion und Rekordinflation - wurde eine Einhaltung dieser Frist zunehmend utopisch. Nun haben sich der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Auftrag von und in Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium auf ein geändertes Vorgehen geeinigt. Demzufolge sind die Kliniken nicht mehr verpflichtet, die Projekte der obengenannten Fördertatbestände bis Ende 2024 vollständig umgesetzt zu haben, sondern müssen diese bis 2026 lediglich nachweislich beauftragt haben. Bei Nichteinhaltung werden erst danach Sanktionen fällig, die in einem gesonderten Verfahren errechnet werden.
Fabian Schmid begrüßt diesen Schritt ausdrücklich. „Digitalisierung braucht Zeit und einen ganzheitlichen Blick“, betont der Experte für Digitalisierung im Gesundheitswesen. „Wir sind froh, dass die Einrichtungen nicht durch uneinhaltbare Fristen zu Einzelmaßnahmen gezwungen werden, die letztlich zu einem unbefriedigenden Flickwerk geführt hätten. Die digitale Transformation im Klinikbereich muss auf einem tragfähigen, zukunftsfähigen Gesamtkonzept basieren, dann entfaltet sie enormes Potenzial.“ Durch ineinandergreifende Maßnahmen zur Optimierung von Prozessen werde das ohnehin rar gesäte und überlastete Personal entlastet, die sektorenübergreifende Versorgung verbessert und eine effizientere Nutzung des Krankenhausbudget erreicht“, ist er überzeugt.
Doch die Scheu vor dem unscharf umrissenen Feld des scheinbaren „Monstrums Digitalisierung“ sei vielerorts nach wie vor groß und der Umsetzungsansporn entsprechend niedrig. „Digitalisierung funktioniert nicht ohne die Offenheit, Verständnis und Akzeptanz, sowohl bei den Klinikleitungen als auch bei den Mitarbeitenden. Um diese zu erreichen, ist es wichtig, das gesamte Thema zu entmystifizieren. Am besten gelingt dies durch das Herunterbrechen auf greifbare Teilprojekte, anhand derer die Akteure den Benefit in ihrem Arbeitsalltag selbst erleben.“ Zur Verdeutlichung nennt Schmid einige Beispiele: „Nehmen wir die viel kritisierten ausufernden Dokumentationspflichten. Hier fällt uns auf, dass - erstaunlich für das 21. Jahrhundert - in vielen modernen Kliniken Dokumentationsprozesse bis heute in Papierform stattfinden. Diese Strukturen bestehen seit Jahrzehnten und sind vertraut. Der Umstellungsprozess erscheint wie ein massives Problem, darum hält man an lähmenden, zeitraubenden Prozessen fest, die die Praxis unnötiger Doppeldokumentationen untermauern, Ressourcen binden, die Mitarbeitenden belasten und obendrein fehleranfällig sind. Schon allein durch die vergleichsweise schnell zu verwirklichende Ausstattung aller Abteilungen mit vernetzten digitalen Endgeräten, wie z.B. Laptops auf Visitenwägen zur Erfassung von Behandlungsdaten – selbstverständlich unter strengem Schutz der sensiblen Daten –, würde eine bereichsübergreifende Zugänglichkeit relevanter Informationen geschaffen und somit eine Steigerung der Behandlungsqualität sowie eine sofort spürbare Entlastung der Ärzte und Pflegekräfte erreicht“. Dasselbe gelte für die Implementierung eines digitalen Aufnahme- und Entlassmanagements oder die Digitalisierung der gesamten Kliniklogistik. „Damit wären die Einrichtungen für die Zukunft sehr viel besser auf Ausnahmesituationen wie Pandemien vorbereitet.“
Darüber hinaus gebe es bereits zahlreiche weitere, ausgereifte Tools, die spürbare Arbeitserleichterungen bei gleichzeitig gleichbleibender oder sogar verbesserter Arbeitsplatz- und Behandlungsqualität mit sich brächten. „Dazu gehören etwa neue, digitalisierte Dienstplan-Modelle oder auch digital gestützte Gesundheitsanwendungen, telemedizinische Konsile, Verknüpfungen von individuellen Informationen aus mobile Health Apps und Smart Wearables mit der ePa, um nur einige wenige Beispiele aus der Praxis zu nennen. All diese aufeinander abgestimmten Einzelschritte können in Summe dazu beitragen, dass die Einrichtungen ihre knappen Kapazitäten wieder für ihr Kerngeschäft einsetzen können: die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten.“